…eine Mutter erzählt über die Entscheidung der frühen Einschulung bei ihrem hochbegabten Kind
Unser Sohn war etwas anders
Hier kommt unser Erfahrungsbericht Hochbegabung. Dass unsere Sohn sich anders entwickelt als seine Geschwister fiel uns schon weit vor seinem 2. Geburtstag auf – er kannte einzelnen Zahlen und Buchstaben und erkannte Logos verschiedenster Einkaufsketten auf Tüten, Brücken, LKWs usw. Als er 3,5 Jahre alt war, hat er sich selbst das Lesen und die kleinen Buchstaben beigebracht.
Lesen konnte unser hochbegabtes Kind schon früh
Recht schnell konnte er fließend lesen. Zahlen mochte er auch, aber gerechnet hat er nicht. Aufgrund dieser Entwicklung und unserer Erfahrung mit unserem ältesten Sohn in der Grundschule standen wir vor der Frage, ob es nicht besser ist, zu testen, ob er nicht vorzeitig eingeschult werden sollte. Wir suchten Gespräche mit den Lehrerinnen unserer beiden ältesten Kinder (beide Grundschüler), einfach um zu sehen, wie mit „solchen“ Kindern im Unterricht umgegangen wird. Wir standen vor der Entscheidung, ihn entweder vorzeitig einzuschulen, oder aber im Verlauf der Grundschule eine Klasse überspringen zu lassen. Denn auch diese Möglichkeit war vorhanden.
Brauchen Hochbegabte eine besondere Förderung
Uns wurde ganz klar gesagt, dass kein Lehrer an dieser Schule in der Lage sein wird, ein begabtes Kind (hochintelligent) speziell zu fördern. Sein Wissensdrang auf bestimmten Gebieten war zu dem Zeitpunkt so groß, dass wir uns sicher waren, dass es ihm schadet, wenn er nicht gefördert wird. Er überraschte uns immer wieder mit seinem Wissen. Z.Bsp. erzählte er, als wir auf der Autobahn fuhren, dass wir gerade einen Langhauber überholt hatten, der nächste LKW jedoch ein Frontlenker sei.
Mit 4 1/2 zur Einschulungsuntersuchung
Zur Schuluntersuchung mussten wir mit ihm natürlich auch – und zwar schon 10 Monate vor der Möglichen Einschulung – er war gerade 4 1/2 Jahre alt. Die Ärztin war erstaunt über seine Fähigkeiten, war sich aber trotzdem nicht sicher, ob sie einer Einschulung zustimmen soll. Mit etwas über 5 eingeschult zu werden, ist eben doch noch recht jung. So überließ sie die Entscheidung dem Direktor der Grundschule.
Der Direktor machte sich persönlich ein Bild
Durch den engen Kontakt zwischen KiGa und Schule wurde unser Sohn intensiv beobachtet und wir schließlich zum Direktor eingeladen. Am Ende setzten sich Direktor, Beratungslehrer, andere Lehrer und Erzieherinnen zusammen und es wurde beschlossen, dass er vorzeitig eingeschult werden soll. Wir hatten ehrlich gesagt damit gerechnet, dass die Schule verschiedene Tests fordert, um wirklich die richtige Entscheidung zu treffen. Aber unser Sohn wurde nie getestet oder dergleichen Dinge.
Eingeschult mit 5 Jahren
Eingeschult wurde unser Kind im Sommer. Bislang sind wir der Meinung, dass die Entscheidung richtig war, ihn einzuschulen. Seine Leistungen in Mathe und Deutsch sind gut bis sehr gut. Da er super lesen kann und die Worte als Ganzes erfasst, fällt ihm die Rechtschreibung sehr leicht und es unterlaufen ihm kaum Fehler. Auch seine Konzentrationsfähigkeit entspricht dem eines Erstklässlers. Er fällt nicht durch Stören oder Unruhe auf.
Bemängelt von Seiten der Lehrerin wird, dass er beim Ausschneiden noch sehr langsam ist. Er schneidet zwar genau, aber braucht dafür noch zu lange. Seine Hand ist einfach noch nicht locker genug. Das merkt man auch beim Schreiben. Wenn er sauber schreibt, dann ist sein Tempo etwas zu langsam; schreibt er schnell, dann ist sein Schriftbild nicht mehr ordentlich. Wir gehen aber davon aus, dass sich dieses Problem bald erledigen wird. Denn dadurch, dass er täglich schreibt, trainiert er ja seine Motorik.
5 Jahre später
Zwischenzeitlich gab es in der Grundschule ein paar kleine Probleme, weil er einfach keine Lust mehr auf Schule hatte. Diese ständigen Wiederholungen und eine Lehrerin, für die es keine Hochbegabung gibt. Das war einfach nicht sein Ding. Deshalb haben wir Hilfe bei einer Psychologin gesucht und dort wurde Julian auch getestet. Heraus kam, dass er in einigen Bereichen hochbegabt ist – Mathe, Deutsch, Allgemeinwissen usw. und in allen anderen Bereichen (die getestet wurden) überdurchschnittlich begabt ist. Einzig sein Arbeitstempo lag eher im unteren durchschnittlichen Bereich. Das führte dazu, dass er seine Begabung nicht nutzen konnte.
Irgendwie ist er dennoch durch die Grundschule gekommen. Von Vorteil war ganz sicher, dass er in seiner Klasse anerkannt war und Freunde hatte. So war er zumindest kein Außenseiter. Nun geht Julian seit September in die 5. Klasse eines Gymnasiums. Nach wie vor bringt er gute bis sehr gute Noten nach Hause. Und nach wie vor hat er keine Lust auf Hausaufgaben.
Die sind meist ein ziemlicher Kampf – besonders in Mathe, aber am Ende macht er sie doch. In der Schule fühlt er sich eigentlich wohl, auch wenn wir manchmal zu hören bekommen, wie doof das doch alles ist. Aber im Grunde tut es ihm gut, ein paar mehr Herausforderungen als in der Grundschule zu haben.
Mit knapp 9 Jahren geht unser hochbegabtes Kind in die 5. Klasse
Obwohl er gerade 9 Jahre alt ist, kommt er in der Klasse sehr gut klar, ist anerkannt, hat neue Freunde gefunden (wir sind umgezogen und er kannte keinen) und ist vom Arbeitstempo her im Mittelfeld der Klasse zu finden. Es gibt also keine Probleme damit, obwohl ihn seine Grundschullehrerin gerade deswegen lieber auf einer Mittelschule (neuerdings bei uns Oberschule) gesehen hätte – trotz seiner sehr guten Noten. Obwohl Julian so jung und auch nicht der Größte ist, hat er auch im Sport kaum Probleme. Auch dort bringt er gute Noten mit nach Hause.
Die Entscheidung war richtig
Wir haben es noch immer nicht bereut, ihn so früh eingeschult zu haben. Auch der Direktor der Grundschule, der damals nicht ganz sicher war, ob es nun richtig ist, meinte am letzten Schultag zu uns: “Na, haben wir den Julian doch gut durch die Grundschulzeit bekommen. Bestimmt wäre es auch gegangen, wenn er zeitgerecht eingeschult wurde, aber so war es auch ok.” Vom Verhalten her passt Julian auch viel besser zu den 10-11 jährigen Kindern. Die merken es ihm nicht an, dass er jünger ist, weil er einfach klar kommt. Wir wünschen uns sehr, dass es auch weiterhin so gut läuft. Klar, es kann sich im Laufe der Zeit auch nochmal ändern – gerade, wenn bei den anderen die Pubertät beginnt, aber das warten wir erstmal ab.
Hochbegabte Kinder sind nicht immer leistungsstark – leistungsstarke Kinder sind nicht immer hochbegabt. Erst eine sorgfältige Testung gibt Gewissheit.
Hochbegabte denken ganzheitlicher: Wenn sie eine Mathe-Aufgabe lösen, wissen sie oft sofort das Ergebnis, können die Zwischenschritte aber nicht erklären. Abgeschrieben, heißt es dann.