Viel hat sich in den letzten Wochen verändert in Deutschland, auch der Umgang mit der Versetzung von Schülerinnen und Schülern. Blaue Briefe wurden in diesem Jahr nicht verschickt, diese sind in manchen Bundesländern Voraussetzung für ein Sitzenbleiben. Das ist allerdings nicht überall so. In Bayern beispielsweise kann man auch ohne einen blauen Brief die Klasse wiederholen müssen.
Wird in diesem Jahr jeder versetzt?
Doch wie sollen Lehrerinnen und Lehrer die Klassenwiederholung begründen, wenn die Schüler nicht genügend Unterricht hatten? Wenn die Aufgaben im Heimunterricht nicht bewertet werden dürfen? Wenn die Voraussetzungen für eine Unterstützung beim Lernen zu Hause so unterschiedlich sind? Die Antwort ist ganz einfach, das geht nicht. Inzwischen haben es auch die meisten Bundesländer ganz offiziell verkündet.
- Ohne ausreichende Noten ist eine Versetzung anfechtbar.
- Das Homeschooling ist bei den Schülerinnen und Schülern nicht vegrleichbar.
- Die Grundlage für eine Entscheidung zur Versetzung oder nicht sind nicht stabil.
- Die Schülerinnen und Schüler hatten nicht genügend Zeit, ihre Noten zu verbessern.
Ein offizielles Sitzenbleiben ist in diesem Jahr wohl nicht durchzusetzen. Prima, denn die Maßnahme ist sowieso sehr umstritten. Seit vielen Jahren sinkt die Zahl der Wiederholer stetig.
- Doch was sollen die Schülerinnen und Schüler machen, deren Noten schon nach dem ersten Halbjahr sehr schlecht waren?
- Deren Lernlücken nun noch größer geworden sind?
- Werden sie im nächsten Schuljahr überhaupt den Anschluss finden?
Beratung und gesunder Menschenverstand
Hier werden individuelle Regelungen möglich sein. Nach einem Beratungsgespräch mit den Lehrerinnen und Lehrern, einen Beschluss der Klassenkonferenz und auf Antrag der Eltern können Schüler die Klassenstufe freiwillig wiederholen. Wer also auf keinen Fall versetzt werden möchte, kann dies in der Regel auch durchsetzen. Wer allerdings unbedingt versetzt werden möchte, hat in diesem Jahr die wohl einmalige Chance dazu. Auch, wenn seine Noten sehr schlecht sind.
Eltern und Lehrkräfte entscheiden gemeinsam
Es sind schwierige Zeiten und mehr denn je sollten Eltern und Lehrkräfte an einem Strang ziehen. Den Rechtsweg zu beschreiten ist meistens eine schlechte Lösung und verhärtet die Fronten nur. Viel besser ist es, wenn sich beide Parteien ihre Argumente sorgfältig überlegen und diese dann in einem gemeinsamen, konstruktiven Lehrergespräch miteinander abwägen. Kompromisse sind immer eine gute Lösung, denn jede Partei gewinnt dabei ein Stück.
Versetzung und die Pandemie
Rückstellungen, Versetzungen, Sitzenbleiben und das Fehlen blauer Briefe sind ein großes Thema kurz vor den Sommerferien. Allerdings treten diese Probleme angesichts der Pandemie in den Hintergrund. Viel wichtiger wird es sein, die Schülerinnen und Schüler vor Ansteckung zu schützen, für die Sicherheit der Lehrkräfte zu sorgen und das Virus nicht in die Familien zu tragen. Egal ob nun eine Klasse wiederholt wird oder nicht, dieses Problem wird auch im nächsten Schuljahr noch bestehen. Und zwar in allen Klassen.
Statt Sitzenbleiben mehr Hygiene
Corona ist auch eine Chance, den Blick wieder auf das Wesentliche zu richten. Anstatt sich darüber zu streiten, ob Sitzenbleiben gut oder schlecht ist, können wir uns vielleicht über unsere Bildungschancen freuen. Und vielleicht sehen die Verantwortlichen endlich ein, dass Geld in Bildung gut investiert ist. Genügend Lehrer, moderne Klassenräume, die Digitalisierung und gute Hygienestandards sind besser, als die Auseinandersetzung über Klassenwiederholungen, Sitzenbleiben und Versetzungsregeln.