Jedes Lob ist eine Ermutigung, jedenfalls wenn es ehrlich daher kommt. Alle Kinder freuen sich darüber, wenn sie in der Schule oder zuhause von den Eltern oder ihren Freunden gelobt werden. Es macht allerdings einen großen Unterschied, ob es sich dabei um eine oberflächliche und allgemeine Formulierung handelt, oder um ein individuelles Lob. Das ist wie bei einem Geschenk. Man freut sich auf jeden Fall (meistens jedenfalls) , aber je individueller es ist, desto toller ist das Geschenk.
Ermutigung heißt genau hinsehen
Die individuelle Anerkennung hat wesentlich mehr Potenzial, um das Lernverhalten eines Kindes zu beeinflussen, als eine allgemeine Aussage. Sie zeigt, dass man sich Mühe gemacht und genau nachgedacht hat. Sie zeigt die Stärken des Kindes auf, und zwar genau so, wie das Kind oder der Jugendliche es auch nachvollziehen kann. Ehrlichkeit ist bei einer Ermutigung ganz wichtig.
Bestimmt sind die meisten Eltern überzeugt davon, dass sie ihr Kind ausreichend loben und ermutigen. Die Anerkennung der Leistungen einer Schülerin oder eines Schülers sind ein ganz wichtiger Motor für die Motivation. Doch nicht jedes Lob ist wirklich wirksam und spornt ein Kind oder einen Jugendlichen zu weiteren Leistungen an.
Ein Lob kann nicht nur ermutigen, sondern auch Selbstzweifel bewirken. Im besten Fall ist ein echtes Lob genau richtig platziert und löst bei deinem Kind echten Stolz aus. Wird ein Kind allerdings zu häufig gelobt, besonders für selbstverständliche Leistungen, kann das ganz unterschiedliche Folgen haben.
- Im besten Fall lässt das Kind dieses Lob einfach an sich abprallen, hört gar nicht mehr hin und registriert es nicht. Es nimmt deine Eltern dann einfach nicht ernst, weil es merkt, dass solch ein Lob überzogen und unecht ist.
- Im schlimmsten Fall wird ein Kind durch zu häufiges Loben eingebildet und überschätzt sich maßlos. Gerätes dann zum Beispiel mit der Einschulung in ein Umfeld, in dem seine Leistungen realistisch eingeschätzt und rückgemeldet werden, bekommt es große Selbstzweifel. Entweder misstraut es den Worten der Eltern, oder es entwickelt eine Ablehnung gegenüber all denen, die es nicht so viel oben.
- Die meisten Kinder kommen allerdings mit der Lob-Realität nach kurzer Zeit ganz gut zurecht. Sie spüren, dass ihre Eltern es gut meinen, aber den Bogen etwas überspannen. Im Vergleich mit anderen Kindern finden sie Ihren Platz und schätzen ihr Potenzial und ihre Leistungsfähigkeit mit der Zeit auch recht realistisch ein.
Kinder sind nicht doof!
Während das zweijährige Kind noch stolz darauf sein darf, beim Essen nicht zu kleckern, sollte das siebenjährige Kind dies inzwischen längst können. Das zweijährige Kind darf ausgiebig gelobt werden, beim siebenjährigen wäre es lächerlich. Hier sollte die Messlatte längst viel höher sitzen. Vielleicht hat das siebenjährige Kind zum ersten Mal selber ein Rührei gemacht oder war alleine Brötchen holen. Kinder merken sehr genau, ob ein Lob angemessen oder überzogen ist.
Dieses Wissen übertragen sie auch auf ihren Alltag, sowohl mit Freunden als auch in der Schule. Selbstverständlich möchten Kinder und Jugendliche für gute Leistungen gelobt werden. Schnelle Hausaufgaben, das Vortragen eines Gedichtes, eine gelungene Zeichnung oder eine fast fehlerfreie Mathearbeit. Allerdings wäre es merkwürdig, wenn sie für das pünktlich Kommen, das mitgebrachte Frühstücksbrot oder das ordentliche Melden im Unterricht gelobt werden würden. Die Regeln, an die sich alle halten sollen, sind in der Schule nach kurzer Zeit selbstverständlich. Gelobt wird nur noch Verhalten, dass über das Erwartete hinaus gibt.
Welches Lehrer-Lob wirkt stärker?
Je konkreter das Lob, desto mehr wird dein Kind ermutigt
Eine Schülerin oder ein Schüler wird sich von der zweiten Aussage wesentlich stärker angesprochen fühlen als von der ersten. Lehrer B hat sich nämlich die Mühe gemacht, das positive Verhalten des Kindes genau zu benennen. Dadurch weiß es genau, was gut gelaufen ist und wie es sich in Zukunft verhalten sollte. Die Aussage von Lehrer A ist zwar auch positiv gemeint, bleibt aber allgemein und konkret. Ob er damit die mündliche Mitarbeit, das Schriftbild oder das Verhalten in der Klasse meint, bleibt der Interpretation des Schülers überlassen.
Richtig loben und ermutigen kannst du dein Kind auch zuhause
Du kannst dir schon denken, dass diese Unterscheidung auch zu Hause gilt. Bestimmt sagst du deinem Kind hin und wieder: „Das hast du toll gemacht!“ oder „Sehr gut!“ Aber weiß dein Kind auch immer ganz genau, was du meinst? Kann es das Lob auf sein Verhalten anwenden oder freut es sich eher allgemein über die positive Rückmeldung? Auch ein pauschales Lob ist ja gut gemeint und wertet die Persönlichkeit deines Kindes auf. Es geht aber noch besser, indem du ganz genau und gezielt hinsiehst, welche speziellen Verhaltensweisen deines Kindes du gut findest und verstärken möchtest.
Beispiele für den Unterschied von einem pauschalen und einem individuellen Lob
Anlass | pauschales Lob | individuelles Lob |
Zeugnis | Dein Zeugnis finde ich gut. | Dass du dich in Mathe um eine Note verbessert hast, ist eine tolle Leistung. |
Konflikte | Toll, dass wir das Problem gelöst haben. | Schön, dass du dir meine Argumente angehört hast und darüber nachdenkst. Ich bin gespannt, was du morgen dazu sagen wirst. |
Streit unter Geschwistern | Gut, dass ihr euch versöhnt habt. | Prima, dass du dich von deiner Schwester nicht hast ärgern lassen, sondern ruhig geblieben bist. Dadurch hat sie sich auch schnell beruhigt. |
Enttäuschung | Schön, dass es dir wieder besser geht. | Ich freue mich, dass du zwar traurig bist, aber trotzdem über eine Lösung des Problems nachdenkst. |
Lernen | Prima, dass du gelernt hast. | Toll, dass du für die Arbeit noch einmal dein gesamtes Deutschheft durchgeblättert und die wichtigsten Themen wiederholt hast. |
Individuelles Lob wirkt ermutigend
Durch ein konkretes Lob, die genaue Benennung des positiven Verhaltens, wächst das Selbstwertgefühl deines Kindes. Es fühlt sich ernst genommen und erkennt, welche Folgen sein Verhalten hat. Überlege vor dem nächsten Lob einen Moment, ob du deinen Worten durch konkretere Aussagen noch mehr Gewicht verleihen kannst.
Am Anfang ist Lob selbstverständlich
Das erste Lächeln, das erste Wort, der erste Schritt eines Kleinkindes löst bei Erwachsenen fast immer eine Welle von Lob, Anerkennung und Motivation aus. Ihrer Freude über die großen Entwicklungsschritte des Kindes geben sie gerne ausdauernd und anhaltend Ausdruck. Sie klatschen, schmusen und lachen mit ihrem Nachwuchs, als ob eine große olympische Leistung vollbracht worden wäre. Für Außenstehende wirkt das manchmal etwas lächerlich und übertrieben, für das Kind bedeutet diese positive Rückmeldung jedoch: „Ich bin gut, ich bin auf dem richtigen Weg, das macht Spaß, ich mache weiter.“
Leider verändert sich dieses Verhalten der Erwachsenen Kindern gegenüber, je älter sie werden. Hohe gesellschaftliche Anforderungen, der ständige Vergleich mit anderen und das Erfüllen der eigenen Erwartungen sind Stolpersteine auf dem Weg der Anerkennung von guten Leistungen. Manche meinen, das Kind zu verwöhnen, wenn es zuviel gelobt wird. Andere vergessen es einfach, finden keine Zeit dazu oder wissen nicht, wie ein Heranwachsender angemessen gelobt werden kann.
Sanftes Lenken durch Anerkennung und Zuwendung
Dabei ist ein gezieltes Lob am richtigen Platz eines der wirksamsten Mittel in der Erziehung. Kinder reagieren dabei nicht anders als Erwachsene auch. Wird jemand ehrlich für ein besonders gelungenes Gericht gelobt, dann wird er es gerne erneut kochen – und wenn jemand Anerkennung für ein schickes Outfit bekommt, trägt er dies mit Sicherheit nicht zum letzten Mal. Werden man jedoch ständig kritisiert und werde Leistungen nicht anerkannt, reagiert man mit Rückzug und „innerer Kündigung“.
Natürlich machen Kinder im Laufe eines Tages nicht nur lobenswerte Sachen, immer wieder verhalten sie sich anderes als erwünscht. Anstatt jedoch das unerwünschte Verhalten ständig zu kritisieren, und damit möglicherweise eine Abwärtsspirale von Streit, Rückzug und Machtkampf herauszubeschwören, ist es oft sinnvoller für erwünschtes Verhalten zu loben. Kein Kind macht immer alles falsch. Durch ein Lob erreicht man, dass sich ein Heranwachsender auf seine positiven Eigenschaften konzentriert, die negativen geraten dabei in den Hintergrund. Sein Selbstbewusstsein wird gestärkt und positive Kräfte werden freigesetzt.
Loben will gelernt sein
Doch um zu wirken, muss ein Lob von Herzen kommen und ehrlich gemeint sein. Ein Kind merkt schnell, wenn es nur aus taktischen Gründen, aber ohne Überzeugung gelobt wird. Die gut gemeinte Anerkennung ist damit nutzlos. Doch wann passt ein Lob?
Viele Eltern haben einen einseitigen Blick auf ihr Kind, können seine Stärken gar nicht richtig wahrnehmen. Sie ärgern sich vielleicht ständig über Unordnung im Kinderzimmer und Streit zwischen den Geschwistern und kritisieren oder bestrafen dieses Verhalten. Dabei vergessen sie aber die positiven Verhaltensweisen ebenfalls anzusprechen. Zum Beispiel die verantwortungsvolle Pflege des Haustieres oder die tägliche Pünktlichkeit. Es ist wirkungsvoller, einen Tag ohne Geschwisterstreit positiv herauszuheben und die Kinder mit einem Geschenk für ihr Verhalten massiv zu bestärken, als nur die Streit-Tage zu registrieren und mit Strafen zu reagieren.
6 am Tag
Glaubst du, dein Kind bekommt genug Anerkennung? Teste doch einmal, wie oft es wirklich für gute Leistungen gelobt wird. Stecke dir schon morgens sechs Münzen in die Tasche. Bei jedem Lob nimmst du eine heraus. Ist die Tasche am Abend leer? Oder hast du auf halben Weg, zwischen Alltagsstress und Zeitdruck, vergessen, dein Kind für sein Verhalten zu loben? Es ist gar nicht so einfach, die eigene Perspektive zu verändern. Ein bisschen Training im Loben kann nicht schaden.
Hier ist ein Lob angemessen
- Hat dein Kind eine schlechte Note trotz intensiver Vorbereitung erhalten? Lobe seine Bemühungen, ignoriere das schlechte Ergebnis, damit es auch künftig motiviert lernt.
- Ist beim Tischdecken ein Teller zerbrochen? Lobe die Tatkraft und Hilfe, damit dein Kind dir gerne auch weiterhin hilft.
- Schafft dein Kind es einfach nicht, sein Zimmer aufzuräumen? Lobe seine Bereitschaft, überhaupt damit anzufangen. Beim nächsten Mal kommt es vielleicht schon weiter.
- Die Küche sieht nach den ersten eigenen Kochversuchen wie ein Trümmerfeld aus? Schlucke den Ärger runter, lobe das Essen und räumt dann gemeinsam auf.
Vergiss nicht, auch dich selbst zu loben. Nach einem anstrengenden Tag kannst du dir ruhig mal auf die Schulter klopfen und sagen: Gut gemacht!