Legasthenie ist nicht gleich Legasthenie. bei jedem Kind läuft es anders. Viel kommt dabei auf die Initiative der LehrerInnen an, aber auch Eltern sollten Bescheid wissen, was ihrem Kind helfen kann und wie die Anzeichen zu deuten sind.
Niklas hat schon einen schlechten Start
Niklas ist acht Jahre alt und geht in die dritte Klasse. Dies ist sein Erfahrungsbericht Legasthenie. Vom ersten Tag an lief es nicht so toll für Niklas.Er tat sich mit dem Lesen schwer und saß ewig an seinen Schreib-Hausaufgaben. Spätestens seit der 2. Klasseab es zu Hause deswegen oft Stress.
Jetzt, in der 3. Klasse, klagt er oft schon morgens über Bauchschmerzen, besonders wenn ein Diktat geschrieben werden soll oder ein Test ansteht. Aber auch mittags fühlt er sich oft traurig, hat keine Lust auf die Hausaufgaben. Manchmal sagt: „Mama, ich bin halt blöd.“
Seit einiger Zeit hat er Angst und einfach keine Lust mehr in die Schule zu gehen. In der ersten Klasse war er noch motiviert, hat seine Hausaufgaben gerne gemacht und sich auf die Freunde in der Schule gefreut. Doch dann wurden die Anforderungen für Niklas schnell zu viel.
Niklas kommt nur mit viel Üben mit
Gerade im Lesen gelang es ihm nur mühsam, gelernte Buchstaben zu behalten und sie zu Wörtern zusammenzuziehen. Mit viel Übung und intensiver Hilfe seiner Eltern konnte er den Anschluss an das Lernziel bis zum Ende des zweiten Schuljahres schaffen.
Niklas lernte die Diktate einfach auswendig, und auch in seiner Fibel konnte er die Geschichten auswendig erzählen, sodass es gar nicht auffiel, dass er sie nicht wirklich vorgelesen hat. Seine Schrift wurde jedoch nicht besser, und auch im Rechnen hatte er nun bei Textaufgaben manchmal Probleme, weil er die Aufgabenstellung nicht schnell genug erlesen konnte.
Es wird immer schlimmer mit der Legasthenie
Richtig schlimm wurde es aber in der dritten Klasse, denn nun musste Niklas so viele neue Wörter lernen, dass er selbst mit seinem trainierten Gedächtnis nicht mehr alles auswendig lernen konnte. Und es gab jetzt immer häufiger miese Noten.
Niklas machte in seinen schriftlichen Hausaufgaben, in Diktaten und freien Texten sehr viele Fehler. So sehr er auch übte und sich anstrengte, die Fehler wurden nicht weniger. Er konnte sich einfach nicht merken, wie man denn die Wörter nun richtig schreibt.
Es dauerte nicht lange und Niklas verlor jegliche Motivation. Er hatte keine Freude mehr an der Schule, zog sich von seinen Freunden zurück und wollte immer öfter morgens nicht zur Schule gehen.
In der 4. Klasse gab Niklas auf, er verweigerte sich und bekam immer häufiger Wutanfälle. Ohne Erfolgserlebnisse in der Schule bröckelte sein Selbstbewusstsein. Er hatte zu nichts mehr Lust und machte nur noch das Nötigste.
Erfahrungsbericht Legasthenie: Stress mit den Eltern
Zu Hause wurde die Luft immer dicker. Niklas Mutter verlor bei den Hausaufgaben öfter die Geduld, Niklas wurde bockig, und beide schrien sich häufig an. Der Familienfrieden war nur in den Ferien herstellbar, der Leistungsdruck in der Unterrichtszeit einfach zu groß.
Niklas war rundherum unglücklich, er verfluchte die Schule, begann wieder einzunässen und verlor sein Selbstbewusstsein. Aus dem glücklichen Jungen war innerhalb von 2 ½ Jahren ein Häuflein Elend geworden. Und das, obwohl Niklas ein sehr intelligentes Kind war. Nur beim Lesen und beim Schreiben versagte er eben.
Mit diesem Erfahrungsbericht Legasthenie wird deutlich, wie sich die Teilleistungsstörung entwickeln kann.
Schluss mit dem Teufelskreis
Als die Lehrerin Niklas Eltern auf dessen Probleme ansprach, kam Bewegung in die eingefahrene Situation. Niklas machte einen Legasthenietest bi einem Psychologen. Nun waren seine Probleme endlich erkannt und es konnte eine gezielte Förderung einsetzen.
Zusätzlich wurde Niklas Rechtschreibnote ausgesetzt, sodass er nach seinen inhaltlichen Beiträgen bewertet wurde und wieder Erfolgserlebnisse in der Schule hatte. Der Teufelskreis “Lernstörung” wurde unterbrochen und Niklas hat nun eine gute Chance, trotz seiner Legasthenie seine Schullaufbahn erfolgreich zu absolvieren.
Erfahrungsbericht Legasthenie: Nachteilsausgleich für Niklas
Die schulische Förderung hat Niklas geholfen, war jedoch nicht ausreichend. Seine Eltern und die Lehrer entschlossen sich, eine außerschulische Lerntherapie als Ergänzung in Betracht zu ziehen. Die Kosten dafür übernimmt das Jugendamt. Der Test des Psychologen und ein Gutachten der Schule reichten aus, um den Antrag auf Kostenübernahme bewilligt zu bekommen. 2 Jahre lang wird Niklas eine Lerntherapeutin besuchen, die ihn auch während des Schulwechsels auf die weiterführende Schule begleitet.
Bei Saskia läuft es anders
„Unsere Tochter Saskia hat schon seit der ersten Klasse Probleme in der Schule. Sie liest und schreibt weder gerne noch gut. Vorlesen ist okay, das mag sie. Aber Selberlesen geht gar nicht. Buchstaben sind keine Freunde, sagte sie immer. Das sind Feinde.
Anfangs dachten wir noch, das legt sich. Aber nach einem Jahr wurden wir immer skeptischer. Es wurde einfach nicht besser. Saskia zog sich auch irgendwie zurück, war nicht mehr so fröhlich wie früher und lud auch weniger Freundinnen ein. Es war merkwürdig, weil wir keine Erklärung hatten.
Auch eine Freundin vermutete schon, dass Saskia Legasthenikerin sein könnte. Wir wollten aber erst einmal abwarten. Mein Mann hatte auch Angst vor den hohen Legasthenie Kosten für eine Lerntherapie.“ [weiterlesen]