Lerntherapeuten und Lerntherapeutinnen sind eine unverzichtbare Stütze im Bildungssystem, da sie Kindern und Jugendlichen mit Lernstörungen helfen, ihre schulischen Herausforderungen zu meistern. Ob Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), Legasthenie, Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder andere Lernstörungen – Lerntherapeutinnen bieten individuelle Förderprogramme und sind eine wichtige Ressource für betroffene Familien. Doch trotz ihrer bedeutenden Arbeit kämpfen viele Lerntherapeutinnen mit schwierigen Arbeitsbedingungen, mangelnder Anerkennung und strukturellen Problemen. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen Herausforderungen und Missstände in diesem Berufsfeld.
Die Rolle von Lerntherapeuten und Lerntherapeutinnen im Bildungssystem
LerntherapeutInnen sind ausgebildete Fachkräfte, die eine Brücke zwischen Pädagogik und Therapie schlagen. Ihre Arbeit geht weit über das klassische Nachhilfeangebot hinaus: Sie helfen Kindern, die mit traditionellen schulischen Methoden nicht zurechtkommen, indem sie tiefgehende, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützungsprogramme anbieten. Dabei nutzen sie spezielle didaktische Ansätze, die auf psychologische und therapeutische Konzepte abgestimmt sind.
Aufgabenbereiche von Lerntherapeutinnen:
- Diagnostik von Lernstörungen
- Erstellung individueller Förderpläne
- Begleitung und Beratung von Eltern
- Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Fachkräften
- Förderung des Selbstvertrauens und der emotionalen Stabilität der Kinder
Die Missstände im Berufsalltag von Lerntherapeuten und Lerntherapeutinnen
Trotz des wichtigen Beitrags, den Lerntherapeutinnen zur Gesellschaft leisten, sehen sie sich mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, die ihren Berufsalltag belasten.
1. Mangelnde Anerkennung und gesellschaftliche Wertschätzung
Lerntherapeutinnen leisten eine wertvolle Arbeit, doch in der öffentlichen Wahrnehmung bleibt ihre Rolle oft unsichtbar. Während Lehrerinnen und Lehrer zunehmend als Schlüsselfiguren im Bildungssystem verstanden werden, fehlt Lerntherapeutinnen häufig die Anerkennung für ihren Beitrag. Ihre Arbeit wird häufig mit klassischer Nachhilfe verwechselt, obwohl sie weitaus tiefgreifender und spezialisierter ist.
2. Finanzielle Unsicherheiten
Ein zentrales Problem ist die unzureichende Finanzierung der Lerntherapie. Die meisten Lerntherapeutinnen arbeiten freiberuflich oder in privaten Instituten und müssen sich ihren Lebensunterhalt durch individuelle Honorarvereinbarungen sichern. Die Abrechnung über gesetzliche Krankenkassen ist selten möglich, da Lerntherapie in vielen Bundesländern nicht als reguläre Leistung der Krankenkassen anerkannt ist. Dies führt dazu, dass Familien oft privat für die Kosten aufkommen müssen, was den Zugang zu Lerntherapie einschränkt und das Einkommen der Lerntherapeuten und Lerntherapeutinnen instabil macht.
Zahlenbeispiel: Laut einer Umfrage von Berufsverbänden liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Lerntherapeutinnen häufig deutlich unter dem, was im Bildungs- oder Gesundheitssektor allgemein üblich ist. Zudem müssen sie Ausgaben für Weiterbildung, Raummiete und Material selbst tragen, was die finanzielle Belastung erhöht.
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3. Fehlende rechtliche Anerkennung und Berufsstatus
Lerntherapie ist bislang nicht als eigenständiger, gesetzlich geregelter Beruf anerkannt. Das führt zu Unsicherheiten in Bezug auf Qualifikationsanforderungen und Gehaltsniveaus. Während es Fortbildungen und Studiengänge gibt, die Lerntherapie als Fachbereich abdecken, gibt es keine einheitliche Berufsbezeichnung oder verbindliche Standards. Dies erschwert auch die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen staatlichen Institutionen, da die Rolle von Lerntherapeutinnen im Bildungssystem nicht fest verankert ist.
4. Emotionale Belastung
Die Arbeit mit Kindern, die oft unter schulischem Versagen leiden und emotional belastet sind, ist anstrengend und erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Resilienz. Lerntherapeutinnen müssen regelmäßig mit der Frustration der Kinder und ihrer eigenen gefühlten Hilflosigkeit umgehen, wenn Fortschritte langsamer als erwartet sind. Hinzu kommt der Druck, Erfolge zu erzielen, um das Vertrauen der Eltern und die Fortführung der Therapie zu sichern.
Die Möglichkeit der Finanzierung von Lerntherapie über das Jugendamt
Eine wenig bekannte, aber entscheidende Unterstützungsmöglichkeit für Familien ist die Finanzierung der Lerntherapie über das Jugendamt. Diese Option ist insbesondere für Eltern von großer Bedeutung, die sich die Kosten für eine private Lerntherapie nicht leisten können. Im Rahmen des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) können Eltern eine sogenannte Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Lernstörungen beantragen. Diese Hilfe greift dann, wenn eine diagnostizierte Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) oder Rechenschwäche (Dyskalkulie) vorliegt und das Kind dadurch erheblich in seiner schulischen Entwicklung beeinträchtigt ist. Die Finanzierung durch das Jugendamt ermöglicht es, dass auch einkommensschwächere Familien Zugang zu dieser spezialisierten Form der Förderung erhalten. Der Prozess beginnt in der Regel mit einer detaillierten Diagnostik durch Fachkräfte, gefolgt von einem Antrag auf Eingliederungshilfe bei der zuständigen Behörde. Wenn die Prüfung des Antrags erfolgreich ist, übernimmt das Jugendamt die Kosten für die Lerntherapie ganz oder teilweise. Dies entlastet die Familien finanziell erheblich und gewährleistet, dass Kinder die Unterstützung bekommen, die sie benötigen, um ihre schulischen Schwierigkeiten zu überwinden.
Die Zusammenarbeit zwischen Lerntherapeutinnen und dem Jugendamt bringt jedoch auch administrative Herausforderungen mit sich. Lerntherapeutinnen müssen den Behandlungsfortschritt regelmäßig dokumentieren und den Erfolg der Maßnahmen nachweisen. Dennoch bietet diese Form der Unterstützung eine immense Erleichterung für betroffene Familien und sichert die Existenz vieler Lerntherapeutinnen, da sie durch die vertragliche Zusammenarbeit mit den Jugendämtern eine stabile Einkommensquelle erhalten können. Wichtig ist, dass Eltern frühzeitig über diese Möglichkeit informiert werden und sich bei Bedarf an schulische Beratungsstellen oder das Jugendamt wenden, um den Antragsprozess zu starten. So können mehr Kinder von dieser essenziellen Unterstützung profitieren und Lerntherapeutinnen gleichzeitig mehr Planungssicherheit in ihrem Berufsalltag gewinnen.
Lösungsansätze und Forderungen
Um die Situation von Lerntherapeutinnen zu verbessern und den Zugang zu ihrer Arbeit für betroffene Familien zu erleichtern, sind mehrere Maßnahmen denkbar.
1. Anerkennung und Integration in das Bildungssystem
Lerntherapie sollte als offizieller Bestandteil des Bildungssystems anerkannt und reguliert werden. Ein klarer Berufsstatus könnte die Arbeitsbedingungen verbessern und die berufliche Anerkennung erhöhen. Dies würde auch die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Lerntherapeutinnen erleichtern.
2. Finanzielle Unterstützung durch öffentliche Mittel
Der Zugang zu Lerntherapie sollte durch öffentliche Gelder oder eine Teilfinanzierung durch Krankenkassen ermöglicht werden. In einigen Ländern gibt es bereits Ansätze, bei denen Lerntherapie als therapeutische Maßnahme für Kinder mit diagnostizierten Lernstörungen anerkannt wird und durch staatliche Programme unterstützt wird. Diese Modelle könnten als Vorbild dienen.
3. Standardisierte Ausbildung und Fortbildungsmöglichkeiten
Ein einheitlicher Ausbildungsweg und die Schaffung eines anerkannten Zertifikats könnten helfen, die Qualität der Lerntherapie zu sichern und das Vertrauen in diesen Beruf zu stärken. Dadurch könnten auch klare Qualifikationsanforderungen geschaffen werden, die den Zugang zum Beruf regeln und die Professionalisierung fördern.
4. Netzwerke und berufliche Unterstützung
Die Schaffung von Netzwerken und Berufsverbänden, die Lerntherapeutinnen unterstützen, könnte den Austausch fördern und ein besseres Verständnis für die Herausforderungen der Arbeit schaffen. Dies würde auch zur emotionalen Entlastung beitragen und Möglichkeiten für Supervision und Coaching bieten.
Ein unverzichtbarer, aber belasteter Beruf
Lerntherapeutinnen spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Kindern mit Lernstörungen und tragen dazu bei, deren schulische und persönliche Entwicklung zu fördern. Dennoch stehen sie vor erheblichen Herausforderungen, die ihre Arbeit erschweren und oft in einem Missverhältnis zu ihrem Engagement stehen. Eine stärkere gesellschaftliche und finanzielle Unterstützung sowie eine gesetzliche Anerkennung könnten helfen, die Situation zu verbessern und mehr Kindern den Zugang zu dieser wichtigen Hilfe zu ermöglichen.
Für Eltern und Lehrerinnen und Lehrer bleibt es wichtig, sich der Bedeutung von Lerntherapeutinnen bewusst zu werden und deren Arbeit zu unterstützen. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und Lerntherapie könnte langfristig den schulischen Erfolg und das Wohlbefinden vieler Kinder verbessern.