Nicht alle Jugendlichen mit ADHS 20+ lassen sich über einen Kamm scheren. Zu verschieden sind die einzelnen Persönlichkeiten mit ihren Stärken und Schwächen und zu unterschiedlich die einzelnen Aspekte der verbreiteten Störung. Trotzdem zeigen Untersuchungen an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auch immer wieder Gemeinsamkeiten, aus denen hilfreiche Unterstützungsversuche abgeleitet werden. Die 12 wichtigsten Informationen zu ADHS 20 + habe ich für Sie zusammengestellt.
Quelle: Uta Reimann-Höhn: AD(H)S in der Pubertät
ADHS 20+ – diese 12 Fakten sollten Sie kennen
1. AD(H)S 20+ gibt es wirklich
AD(H)S bleibt bei bis zu 2/3 aller Betroffenen nach der Kindheit auch in der Jugend und im Erwachsenenalter bestehen, wird zu ADHS 20+. Die äußere Unruhe wandelt sich nicht selten zu Nervosität und einer inneren Unruhe. Bei manchen Jugendlichen wird erst in der Pubertät festgestellt, dass sie unter der Störung leiden.
2. Die Pubertät dauert länger und wird schwieriger bei ADHS 20+
Die großen körperlichen und seelischen Umwälzungen in der Pubertät sind für Jugendliche mit einer ADHS 20 + schwerer zu bewältigen als für Nicht-Betroffene. Die typischen Verhaltensweisen der Pubertät dauern oft bis weit über den 20. Geburtstag hinaus an. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind länger als andere auf Unterstützung angewiesen.
3. Achtung: Depression möglich
Angst und Unsicherheit, die für die meisten Jugendlichen in der Pubertät typisch sind, können bei AD(H)S-Betroffenen leichter in einer Depression enden, da sie bereits viele Misserfolge, Ablehnung und Kritik erlebt haben. Eine Depression muss immer sorgfältig behandelt werden, denn es besteht stets die Gefahr eines Suizides.
4. Drogen locken ADHSler
Teenager mit einer AD(H)S sind nachweislich anfälliger für Alkohol, Nikotin und bewusstseinsverändernde Drogen. Je ausgeschlossener sie sich fühlen und je unglücklicher sie sind, desto eher greifen sie zu Suchtmitteln und versuchen, sich selber zu “behandeln”.
5. Gefahr und Verbotenes sind reizvoll bei ADHS 20+
Illegale oder kriminelle Handlungen reizen Jugendliche mit einer AD(H)S, weil sie Spannung versprechen und den Kontakt zu Gleichgesinnten erleichtern. An die möglichen Folgen wird dabei nicht gedacht.
6. Die Unfallgefahr steigt
Jugendliche mit einer AD(H)S sind anfälliger für Unfälle aller Art als Nicht-Betroffene. Das ist ihrer Risikobereitschaft geschuldet und ihrer schnell nachlassenden Aufmerksamkeit und leichten Ablenkbarkeit.
7. Klare Strukturen helfen enorm
Jugendliche mit einen AD(H)S brauchen einen klar strukturierten Alltag, an dem sie sich orientieren können. Konsequenz und gemeinsam entwickelte Regeln helfen ihnen, ihre Konzentrationsstörungen, Störungen in der Aufmerksamkeit und im Abspeichern oder in der Verarbeitung von Informationen besser zu bewältigen.
8. Die Familie ist ein wichtiger Rückhalt, auch bei ADHS 20+
Jugendliche mit einer AD(H)S brauchen die Unterstützung der Familie und ihrer Freunde länger als Nichtbetroffene. Ohne Rückhalt und Hilfe sind Schulabschluss, Berufsausbildung und das Führen eines eigenen Haushalts nur schwer zu bewältigen.
9. ADHS 20+ hat auch positive Seiten
Die positiven Aspekte von einer AD(H)S sind eine hohe Empathie (Einfühlungsvermögen) und Kreativität. Bei besonderem Interesse können Jugendliche mit einer AD(H)S Außergewöhnliches leisten.
10. Beziehungen sind eine Herausforderung
Beziehungen sind für AD(H)Sler nicht leicht zu führen. Ihre Unordnung und ihr oft fehlendes Zeitgefühl, die mangelnde Fähigkeit zum Perspektivwechsel und eine körperliche Wahrnehmungsintensität führen schnell zu Missverständnissen und Konflikten.
11. ADHSler brauchen den passenden Beruf
Soziale Tätigkeiten und Berufe, bei denen selbstbestimmt und kreativ gearbeitet werden kann, eignen sich gut für Menschen mit einer AD(H)S. Häufig können sie auch gut moderieren, verkaufen oder sind gute Schauspieler. Viel auszuprobieren, um den passenden Beruf zu finden, ist wichtig und sinnvoll.
12. Es gibt oft Alternativen zur Medikation
Ob eine Medikation oder eine Therapie notwendig und hilfreich sein kann, muss immer mit den entsprechenden Fachleuten, den Eltern und dem Jugendlichen gemeinsam entschieden werden. Eine Begleitung und regelmäßige Anpassung der Medikation sollte selbstverständlich sein.
Geduld und ein langer Atem sind wichtig
Wer mit der Störung ADHS 20+ leben muss, braucht häufig länger als andere, um seinen Weg im Leben zu finden. Verständlich, denn neben den ganz normalen Anforderungen eines Alltages von Heranwachsenden muss der betroffene AD(H)Sler noch viele andere Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Jedes bewältigte Problem darf als Erfolg gesehen und gefeiert werden. Schritt für Schritt bewegt sich der Jugendliche so in die richtige Richtung.
ADHS 20+ - die Störung beeinflusst das ganze Leben
“Wenn du dich ein bisschen zusammenreißt, kannst du das!” Es gibt wohl kaum einen Jugendlichen mit einer AD(H)S, der diesen Satz nicht in vielerlei Abwandlungen und unzähligen Situationen gehört hat. Ob in Briefen von der Schule, im Lehrergespräch, beim Abendessen mit der Familie oder von Freunden - sobald ein von der Störung Betroffener sich konzentriert und etwas zügig und gut erledigt, wird seine Beeinträchtigung gleich in Frage gestellt. Es ist eben so schwer vorstellbar, dass die Verträumtheit, die Impulsivität, die Hyperaktivität und vor allem die Aufmerksamkeitsschwäche in bestimmten Situationen in den Hintergrund treten.
Immer wieder müssen sich Betroffene anhören, sie wären faul, schlampig, unwillig oder bequem und könnten mit ein bisschen guten Willen ihr Verhalten verändern. Mit der Zeit glauben Kinder und Jugendliche dann selber daran, faul zu sein. Ihr schwaches Selbstbewusstsein wird noch schwächer, denn sie selber verstehen gar nicht, was mit dem faul gemeint ist. Dinge nicht zu schaffen, vieles zu vergessen, schlechte Noten zu schreiben und keine Erfolge zu haben macht ihnen ja keinen Spaß. Stundenlanges Sitzen an den Hausaufgaben, verzweifeltes Starren auf das Chaos im eigenen Zimmer und die Unfähigkeit, ein Buch aufzuschlagen und für die nächste Klausur zu lernen bedrückt sie, anstatt ihnen Freude zu bereiten. Sie leiden unter dem Zustand, der ihnen dann auch noch als faul zugeschrieben wird. Eine ungerechte Beurteilung, die viele zornig macht.