ADHS Leitlinie: Wenn ein Kind ADHS hat, tun sich die meisten Eltern sehr schwer damit, ihm Medikamente zu geben. Das ist auch gut so, denn die medikamentöse Behandlung sollte gut durchdacht sein und nur dann stattfinden, wenn es auch notwendig ist. Das entscheiden Fachleute, und die haben nun eine neue Leitlinie ADHS an der Hand.Was genau darin steht und welche Auswirkungen das auf Ihr von ADHS betroffenes Kind hat, lesen Sie hier.
Zur Behandlung von ADHS, der inzwischen häufigsten Störung im Kindes- und Jugendalter mit über 4% betroffenen Kindern in Deutschland, gibt es eine neue ADHS Leitlinie 2018 für Ärzte. Eine der wesentlichsten Neuerungen dieser Richtlinie ist, dass künftig auch Kinder mit einer mittelschweren ADHS schon früher im Therapieverlauf Arzneimittel wie Rit. bekommen können. An ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) leiden weltweit 5 % der Schulkinder und 2,5 % der Erwachsenen.
Verhaltenstherapie wird in der ADHS Leitlinie empfohlen, Medikamente aber auch
ADHS tritt in unterschiedlich schweren Ausprägungen auf, von leicht über mittel bis schwer. Bisher wurde bei Kindern eine unmittelbare Behandlung mit Medikamenten wie Rit. vorgängig bei der starken Ausprägung der psychischen Störung empfohlen. Nach der neuen ADHS Leitlinie 2018 wird jetzt auch eine Behandlung bei moderateren Formen von ADHS möglich sein.
Allerdings setzt die deutsche Leitlinie, im Gegenteil zu anderen internationalen Leitlinien, immer noch verstärkt auf eine Verhaltenstherapie. Und für die medikamentöse Behandlung von ADHS wird nach wie vor ein zurückhaltender Einsatz empfohlen. Was Sie außer der medikamentösen Therapie noch alles machen können, damit es Ihnen und Ihrem Kind besser geht, erklärt die Diplom Pädagogin Uta Reimann-Höhn in diesem Bestseller. Er wurde jetzt aktualisiert und komplett überarbeitet.
Viele Medikamente helfen bei ADHS
In den letzten Jahren sind eine Reihe von neuen Medikamenten auf den Markt gekommen, die bei ADHS verordnet werden können. Die letzte Entscheidung tragen dabei Eltern und behandelnder Arzt. Grundsätzlich erachtet die ADHS Leitlinie 2018 die Stimulanzien Methylphenidat, Amfetamin und Lisdexamfetamin, sowie die Nicht-Stimulanzien Atomoxetin und Guanfacin (selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) als mögliche Optionen.
Bei der Verschreibung sollen die folgenden Punkte beachtet werden
- die erwünschte Wirkdauer und das zu erwartende Wirkprofil,
- die Nebenwirkungsprofile (Appetitlosigkeit, Schlafstörungen..),
- Komorbiditäten (Tic-Störungen, Depression, Angststörung, Störung des Sozialverhaltens, Legasthenie, Dyskalkulie),
- Missbrauchsgefahr,
- besondere Umstände (zum Beispiel die Gefahr einer Stigmatisierung durch Tabletteneinnahme in der Schule) und
- die Präferenz des Patienten beziehungsweise seiner Eltern.
Welche Medikamente werden in der ADHS Leitlinie empfohlen?
Die neue ADHS Leitlinie 2018 gibt auch hierzu eine Antwort, im Einzelfall muss das jedoch immer der Arzt entscheiden. ADHS ist eine komplexe Erkrankung, bei der alle Informationen aufgenommen und verarbeitet werden müssen, um das passende Medikament zu finden.
Ausprägung |
Empfehlung |
ADHS ohne Komorbiditäten |
Stimulanzien (Methylphenidat wie Rit.) |
Zweitwahl bei Wirkungslosigkeit |
Amfetaminpräparate (Attentin, Elvanse) |
Drittwahl bei Wirkungslosigkeit |
Kombination versch. Präparate |
ADHS und Tic-Störungen |
Atomoxetin, Guanfacin |
ADHS und Angststörung |
Atomoxetin |
ADHS mit Missbrauchsgefahr |
Atomoxetin, Guanfacin |
Retard Präparate wirken länger
In einigen Fällen kann es notwendig sein, dass Stimulanzien eine längere Wirkung haben sollen. Lang wirksame Präparate sollten dann erwogen werden, wenn die Vorteile überwiegen.
- größere Benutzerfreundlichkeit, einschließlich vereinfachte Einnahme
- bessere Adhärenz
- Vermeidung einer möglichen Stigmatisierung, weil zum Beispiel die Einnahme in der Schule wegfällt
Wenn mehrere Therapien bei ADHS Patienten möglich sind, sollen die Verordnung sich auf die kostengünstigste Möglichkeit konzentrieren.
Studie hat ADHS Leitlinie 2018 unterstützt
Diese Ergebnisse basieren auf der Netzwerk-Metaanalyse (Andrea Cipriani von der Universität Oxford). Die Forscher haben die Daten aus 131 Doppelblindstudien ausgewertet, an denen 14.346 Kinder und 10.296 Erwachsene teilgenommen hatten. Die Wirksamkeit wurde einmal anhand der Angaben der Ärzte zu den Kernsymptomen Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität beurteilt. Bei den Schulkindern wurde auch das Urteil der Lehrer berücksichtigt.
Bei Kindern und Jugendlichen waren nach Einschätzung der Ärzte alle untersuchten Wirkstoffe Placebo überlegen. Die Lehrer sahen dagegen nur für Methylphenidat und Modafinil eine bessere Wirkung als in den Placebogruppen. Bei Erwachsenen stuften die Ärzte die Wirksamkeit von Amphetaminen, Methylphenidat, Bupropion und Atomoxetin, nicht aber von Modafinil besser ein als Placebo.
Zu den Schwächen der Studie gehört sicherlich, dass die Effektivität nur nach 12 Wochen beurteilt werden konnte. Zur langfristigen Wirksamkeit gibt es laut Cipriani zu wenig Daten. © rme/aerzteblatt.de