Schon Kinder messen sich durch die sozialen Medien viel früher und intensiver mit anderen. Dabei spielt die Körpergröße eine große Rolle beim Entwickeln des Selbstbewusstseins. Je größer, desto besser, meinen viele. Aber das ist natürlich ein Trugschluss. Wie das im Alltag aussehen kann, habe ich letztens mit meinem Mann auf einem Ausflug erlebt.
„Ich fühle mich zu klein!“
Nach einer Veranstaltung wartete ich gemeinsam mit meinem Mann auf den Shuttlebus, der uns zu unserem Auto bringen sollte. Mit uns warteten viele Familien mit großen und kleinen Kindern. Schnell kamen wir mit zwei Mädchen ins Gespräch, die meinen Mann auf seine Gitarre ansprachen. Eine thematisierte sofort ihre Körpergröße.
Wir stellten uns vor und fragten die Mädchen, wie alt sie seien. Die lebendigere der beiden, die ständig Witze erzählte und die halbe Bushaltestelle unterhielt, antwortete zuerst. „Ich bin zehn Jahre alt, aber ich weiß schon, ich bin viel zu klein für mein Alter.“ Dabei senkte sie ihren Blick nach unten und wagte es nicht, uns in die Augen zu schauen. Kaum zu glauben, aber sie schämte sich für ihre Größe. Dieses lebendige, witzige, charmante und schlagfertige Kind.
Traurig, wenn Kindern das Selbstbewusstsein wegen der Körpergröße fehlt
Das hat mich traurig gemacht. Dieses Mädchen war lustig, aktiv, witzig und unterhaltsam. Bestimmt war sie klug und eine gute Schülerin, auf jeden Fall aber der Mittelpunkt ihrer Familie. Wie schade, dass sie über sich selbst als erstes eine negative Aussage machte. Sie hätte doch genauso gut sagen können: „Ich bin zehn Jahre alt und ganz schön klug, beliebt, hübsch oder schnell für mein Alter.“
Leider hat sie das aber nicht gesagt. Und ganz ehrlich, ich glaube, dass sie das von sich auch nicht denkt. Rasch versuchten mein Mann und ich diesem negativen Selbstbild zu widersprechen. Wir antworteten, jede Körpergröße sei doch völlig o. k., unsere Kinder seien auch nicht besonders groß und das wäre doch völlig egal. Ich denke aber nicht, dass wir das Mädchen mit diesen Argumenten wirklich erreicht haben. Sie schien schon zu oft gehört zu haben, dass sie für ihr Alter einfach nicht groß genug sei. Und sie schämte sich dafür, obwohl sie darauf ja wirklich überhaupt keinen Einfluss hatte.
Was beeinflusst die Eigenwahrnehmung?
Natürlich frage ich mich, woher diese Einstellung kommt. Sind es Eltern und Familie, in dem Mädchen immer wieder vermitteln, dass es nicht so groß wie die anderen seines Alters ist? Oder sind es die Klassenkameraden und Freunde? Kommen Kinder überhaupt selber auf die Idee nach der Körpergröße zu gucken, wenn Erwachsene sie nicht auf diese Gedanken bringen?
Alles hat seine Vorteile
Und warum ist die Körpergröße nur dann positiv, wenn sie normal oder über dem Durchschnitt liegt? Besonders klein zu sein hat doch auch seine Vorteile. Klein gewachsene Kinder können ihre Kleidung länger tragen, länger den Kinderpreis beanspruchen, sie schlüpfen einfach schnell irgendwo durch und sind schneller satt. Außerdem genießen sie länger den Schutz der Erwachsenen, den Welpenschutz.
Meiner Ansicht nach kommt es einfach auf die Sichtweise an, ob die Körpergröße überhaupt relevant ist, und wenn ja, in welche Richtung. Mit Intelligenz, Durchsetzungskraft, Selbstbewusstsein, Klugheit, Schnelligkeit, Liebenswürdigkeit oder Hilfsbereitschaft hat die Größe eines Kindes überhaupt nichts zu tun. Wir alle wissen das. Dieses Mädchen muss es noch lernen.
Und ich hoffe, dass das gelingt.