Kreativität ist notwendig, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, Kriege zu beenden und den Fortbestand der Menschheit zu garantieren. Deshalb müssen wir weltweit Kreativität fördern. Darin sind sich alle einig, denn nur mit kreativen Lösungen können wir die großen Probleme unserer Zeit anpacken. Eigentlich logisch, doch die meisten PädagogInnen, Eltern und BildungsforscherInnen erkennen auch, dass unser aktuelles Bildungswesen Kreativität kaum oder gar nicht fördert. Woran liegt das?
Was braucht es, um kreativ zu sein?
Dazu möchte ich einmal ein Beispiel aus meinem Leben anbringen. Ich halte mich für einen grundsätzlich kreativen Menschen, der gerne neue Dinge entwickelt und Gedanken von einer Seite auf die andere schiebt. Allerdings gehören gewisse Grundbedingungen dazu, damit das gelingt. Meine kreativsten Momente habe ich immer schon, wenn ich zum Stillstand verdammt bin. Als Beifahrerin auf einer langen Autofahrt, in einer längeren Schlange oder beim Aushalten eines langweiligen Konzertes. In solchen Situationen arbeitet mein Geist extrem intensiv und entwickelt eine Idee nach der anderen.
- Kreativität fördern durch Raum und Ruhe zum Nachdenken
Diese Erfahrung stimmt auch mit allen Untersuchungen zum Thema Kreativität über ein. Zeit für kreatives Denken steht daher ganz oben, wenn es um die Grundbedingungen für Kreativität geht. In der Schule ist diese Zeit so gut wie nie vorhanden. Der strenge und enge Lehrplan beinhaltet eine große Menge an Lernstoff, der die ganze vorhandene Lernzeit für sich beansprucht. Ein vollgestopfter Lernplan ist also ein großes Hindernis für einen kreativen Unterricht. Die Verkürzung der Schulzeit durch G8, durch den Wunsch der Wirtschaft angefeuert, lässt Schülerinnen und Schülern noch weniger Zeit für Kreativität.
- LehrerInnen müssen inspirierend sein, um kreatives Denken zu fördern
Große Untersuchungen zeigen länderübergreifend, dass die Qualität der Lehrkräfte der wichtigste Faktor für einen gelingenden Unterricht darstellt. Das betrifft auch das Thema Kreativität. Wenn Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, ihre Schülerinnen und Schüler für ein Thema zu begeistern, wächst auch deren Fähigkeit kreativ zu sein. Lehrkräfte sollen begeistern, unterstützen, motivieren und dabei helfen, neue Fenster in die Welt zu öffnen und so die Kreativität fördern. Standardisierte Lernmethoden sind dabei Gift für die Kreativität. Wenn die Lern- und Lösungswege bereits vorgegeben sind, schalten Schülerinnen und Schüler ab und verlassen die vorgetrampelten Pfade nicht mehr. Inspirierende Lehrkräfte brauchen abwechslungsreiche Lernwege und müssen kreativitätsfördernde Lerntechniken einsetzen.
- Angst vor Fehlern verhindert kreatives Denken
In den meisten Schulen herrscht eine rigorose Fehlerkultur. In Schulklassen wird auf Konformität und Leistungsüberprüfungen gesetzt. Das forciert den Wettbewerb der Schülerinnen und Schüler untereinander und verhindert konstruktives Teamworking. In einem Lernklima, das von der Angst vor Fehlern beherrscht wird, kann sich Kreativität nicht entfalten. Schülerinnen und Schüler sollten aktiviert werden, unorthodoxe Lösungswege auszuprobieren und Fehler in Kauf zu nehmen.
Wenn Schule auf Ideen kommt
In diesem Zusammenhang ist das Buch von Leonard Sommer u.a. absolut lesenswert und inspirierend. Es vermittelt eine andere Sichtweise auf das Bildungssystem, notwendige Reformen und haucht einem verkrusteten und überholten Unterrichtskonzept neues Leben ein. Dieser Artikel ist unwidersprochen inspiriert von der Lektüre des Buches.
Schulkultur muss sich ändern
Diese Untersuchungsergebnisse verschiedenster Forschungen zeigen, dass unsere Schulkultur Kreativität nicht fördert, sondern sogar blockiert. Die Modernisierung des Bildungsbereich muss von oben geschehen, weder die Eltern noch die einzelnen Schüler können grundlegende Veränderungen anstoßen und durchsetzen.
Wie kannst du die Kreativität deines Kindes fördern?
Eltern können ihren eigenen Umgang mit den Kindern steuern und ihre Kreativität fördern. Es gibt viele Möglichkeiten, außerhalb des Bildungssystems das kreative Denken des eigenen Kindes zu fördern. Die wichtigsten Punkte sind dabei:
- Schaffe deinem Kind Freiräume, Ruhe und Zeit für kreatives Denken. Das bedeutet auch, bildschirmfreie Zeit.
- Belohne nie die Noten deines Kindes, sondern seine Ideen und Anstrengungen, sich mit den Fragestellungen auseinanderzusetzen. Wenn ein Kind sich die Klassenarbeit oder einen Test vorbereitet hat, ein Lob, ganz egal, wie die Note ausgefallen ist.
- Nimm die Fehler, die dein Kind macht, immer als Anregung zur Problemlösung.
- Sei offen für die individuellen Talenten und Interessen deines Kindes und fördere sie. Beschränke es dabei nicht, sondern gib ihm in der Kindheit und Jugend die Möglichkeit, in so viele Bereiche wie möglich hinein zu schnuppern. Das wird ihm später helfen.
- Sprecht, redet und diskutiert so oft es geht. Beleuchtet Dinge von verschiedenen Seiten, denkt über die Lösung von Problemen nach und seid offen für alle Ideen. Seid gemeinsam kreativ.
- Schenkt eurem Kind kreatives Spielzeug, bei dem er selber Dinge entwickeln kann. Je flexibler ein Spielzeug einzusetzen ist, desto mehr regt es das kreative Denken deines Kindes an.
- Lass dein Kind immer an deinen Gedanken zur Problemlösung teilhaben. Ideen die offen für unkonventionelle Lösungswege.
Kreativität wächst und macht immer mehr Spaß
Nach und nach wird sich dein Kind daran gewöhnen, dass seine kreativen Ideen auf einen fruchtbaren Boden fallen. Je öfter es erlebt, dass Kreativität seinen Alltag positiv beeinflusst, desto stärker wird es auch seine eigene Kreativität entwickeln. Diese Erkenntnis motiviert, macht Spaß und wird dein Kind begeistern. So kann es aktiv gestalten. Lass dich überraschen, was alles in deinem Kind steckt. Vielleicht entwickelt es später tolle Ideen zur Energiegewinnung, erfindet pestizidfreie Düngemittel oder verbessert bestehende Projekte. Sei gespannt und neugierig!