Diese Frage stellen sich trotzdem immer noch Eltern, deren Kind in der Schule auffällig unkonzentriert ist. Seit meinem ersten Buch über ADS „ADHS, so stärken Sie Ihr Kind“ haben sich die Diagnosen eingependelt, ADHS ist zwar nach wie vor vorhanden, aber es gehört jetzt eben dazu. Doch nicht immer ist es ADHS, wenn Kinder in der Schule nicht so funktionieren, wie es gewünscht wird. Besonders dann, wenn Kann-Kinder bereits mit fünf Jahren eingeschult werden. Häufig sind sie in ihrer Entwicklung einfach noch nicht weit genug, oft fehlt es ihnen auch an Selbstbewusstsein.
In der Schule überfordert – ADHS bei Kann-Kindern keine Seltenheit
So ermittelten beispielsweise die Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Versorgungsatlas, einer Einrichtung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung schon vor einigen Jahren, dass früh eingeschulter Jungen und Mädchen in der Grundschule häufiger die Diagnose ADHS bekommen als andere. Wenn das Alter der Kinder bei der Diagnose unberücksichtigt bleibt, kann die Diagnose ADS / ADHS falsch sein. Es ist nämlich unter Umständen ganz normal, dass Erstklässler noch zu verspielt sind, um sich über den langen Zeitraum eines Schultages ausreichend konzentrieren zu können.
Außerdem hat das Homeschooling durch Corona bei vielen Kindern und Jugendlichen Schäden hinterlassen, die durchaus mit ADHS vergleichbar sind. Ihnen fehlen Strukturen, das macht sie unaufmerksam, unkonzentriert und „hibbelig“. Die Öffnung der Schulen hat das Problem nicht beseitigt.
Wo kommt der Name ADS / ADHD her?
Die deutsche Bezeichnung „Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom“ (ADS / ADHS) ist das vorläufige Resultat einer langjährigen und anhaltenden Entwicklung im Forschungsbereich.
Wurden Kinder mit diesen spezifischen Störungsbildern einst als MCD[1]-Kinder bezeichnet, sehr unruhige Kinder dann später als hyperaktiv (HKS)[2], so hat man in den letzten Jahren den Schwerpunkt des Interesses auf die Aufmerksamkeit gelegt und in Amerika den gängigen Begriff des ADD/ADHD[3] geprägt. In der Schweiz ist die Bezeichnung POS[4] verbreitet.
Was ist ein Syndrom?
Ein Syndrom charakterisiert sich dadurch, dass einige Merkmale immer, andere aber nur manchmal festzustellen sind. Als Hauptmerkmale stehen bei ADS die emotionale Impulsivität und die Handlungsimpulsivität im Vordergrund. Das ADS-Syndrom diagnostiziert man bei Kindern, Jugendlichen und auch noch bei Erwachsenen, die erheblich in ihrer Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt sind und waren, deren Daueraufmerksamkeit wesentlich gestört ist, die sehr impulsiv reagieren und teilweise eine starke innere oder äußere Unruhe verspüren. In neuen, spannenden Situationen können auch ADS-Kinder kurzfristig unauffällig sein, ist ihre Aufmerksamkeit jedoch nicht mehr gefesselt, so werden sie mit ihrer Rechthaberei, ihrem Dazwischenreden und ihrem Störverhalten früher oder später anecken.
Hauptkennzeichen: Unkonzentriert und unaufmerksam
Kinder mit ADS / ADHS haben große Schwierigkeiten ihre Aufmerksamkeit zielgerichtet einzusetzen. Sie können sich durchaus lang anhaltend konzentrieren, haben aber wenig Einfluss darauf, welches Thema im Fokus ihrer Aufmerksamkeit steht.
So kann ein Vogel am Fenster des Klassenzimmers die Aufmerksamkeit eines ADS / ADHS Kindes intensiv und lange auf sich ziehen. Den relevanten Unterrichtseinheiten seiner Lehrer verpasst das Kind jedoch, auch wenn es natürlich weiß, dass die Lerninhalte für seine schulische Entwicklung von größerer Bedeutung als ein Vogel am Fenster sind. Das ADS Kind nimmt sehr genau und sensibel alle Impulse seiner Umgebung auf, und wendet sich dann impulsiv und unkontrolliert den Impuls zu, auf den es in diesem Moment am stärksten reagiert. Ein herunter fallender Stift des Nachbarn, die bunten Aufkleber eines Ranzen oder ein vorbei fahrendes Müllauto werden zu akustischen und visuellen Reizen, denen das ADS Kind aufgrund einer Reizselektionsschwäche nicht widerstehen kann.
ADS / ADHS gehen mit Stimmungsschwankungen einher
Weiterhin leiden ADS Kinder unter starken Stimmungsschwankungen, sie können von überschäumender Freude sehr schnell in eine tiefe Verzweiflung fallen, ohne dass der Grund für diesen Stimmungswechsel für die Umwelt sichtbar ist.
ADS sollte aber nicht nur als Defizit, als Störung betrachtet werden. Diese hochsensiblen Kinder sind meisten sehr kreativ und phantasievoll, sie erspüren Stimmungen und Stimmungsumschwünge sehr schnell und fallen durch ihre extrem hohe Hilfsbereitschaft auf. Sind sie von einem Thema gefesselt, so können sie sich bis zur Selbstaufgabe hinein vertiefen und erstaunliche Ergebnisse und Erkenntnisse erarbeiten.
[1] Minimale Cerebrale Dysfunktion
[2] Hyperkinetisches Syndrom
[3] Attention-Deficit-Disorder oder Attention-Deficit-Hyperactivity-Disorder
[4] Psychoorganisches Syndrom