Probleme beim Rechnen können schon früh erkannt werden. Die 6jährige Marie besucht die Vorklasse einer Grundschule. Aufgrund des Sindelar-Baum-Tests wird den Eltern empfohlen, das Kind vor der Einschulung in die erste Klasse, im Bereich Mathematik zu fördern. Besonders auffällig sei das kindliche Verhalten und das absolute Desinteresse am Rechnen.
Marie zählt nur mit den Fingern, sie verzählt sich bei Brettspielen immer wieder und hat kein Interesse an Geld. Marie schreibt auch keine Ziffern und kann keine Mengen aufteilen.
Mit einer Lerntherapie wird Marie noch vor der Schule gefördert
Der Erfahrungsbericht Dyskalkulie bei dem 6jährigen Mädchen zeigt, wie sinnvoll eine frühe Förderung sein kann. Ihre Eltern wenden sich an eine lerntherapeutische Praxis und vereinbaren wöchentlich eine Förderstunde. Gleichzeitig werden die Eltern geschult, um Marie auch Zuhause helfen zu können. Das Interesse und Verständnis für Mathematik muss sensibel und geduldig aufgebaut werden.
In der Lerntherapie werden in den folgenden Monaten folgende Inhalte bearbeitet:
- Zählen von 0 bis 10 anhand von vielfältigen Symbolen und Grafiken unter Einbeziehung der körperlichen Aktivität, z.B. malen, kneten, springen, etc.
- Vorgänger und Nachfolger finden mit und ohne Visualisierungshilfe
- Mengen von 1 bis zu 4 erfassen, ohne sie zu zählen, mit Würfeln, Kugeln, Bildern, Fingern, etc.
- Ähnlichkeiten finden, Gruppe bilden, z.B. Portraitfotos nach bestimmten Kriterien zu sortieren
- Mengen aufteilen mit Kugeln, anhand des Klapenspiels, mit Stäbchen, etc.
- einer Menge eine Zahl zuordnen, z.B. einem Bild mit 4 Kraken die Zahl 4 hinzufügen
- Reihen und Muster fortführen
- Kennenlernen von Dreieck, Viereck, Kreis
- 0 bis 10 Felder eines Zehnerzahlenstrahles mit Aufklebern abkleben, dann fehlende Felder zählen
- Memory mit Kärtchen, die Zahlen oder Mengen darstellen
- Zählbilder malen, z.B. „Auf einer Wiese stehen 5 Bäume, daran hängen jeweils 3 Pflaumen.
Marie ist noch sehr verspielt
Anfangs war Marie extrem verspielt und konnte sich nur sehr kurze Zeit konzentrieren. Sie zog immer zuerst ihre Schuhe aus und hüpfte dann auf den Stuhl. Ohne motivierendes Begleitmaterial war sie nicht zum Mitarbeiten zu bewegen, sondern erzählte munter von ihrem Tag.
Manchmal verfiel sie auch in Blödsinnsprache – ein Zeichen einer Überforderung. Von Stunde zu Stunde wurde Marie zugänglicher und es war immer leichter, sie zum Rechnen zu motivieren.
Spielfiguren fördern die Motivation
Zur Motivation arbeiteten die Lerntherapeutin und Marie anfangs mit Turtles Figuren, die das Arbeiten des Mädchens kommentierten oder sie anspornten. Darauf ließ sie sich ein. Nach einigen Terminen wurden diese Motivatoren überflüssig und Marie konnte ohne Umweg mit Zahlen und Ziffern umgehen.
Die Eltern sind immer gut informiert
Im Anschluss an jede Stunde fand ein kurzes Elterngespräch statt, in dem es auch einen Auftrag für die Woche gab, z.B. Dinge suchen, die rund sind – etwas mit 4 Ecken finden – ein Zählbild malen, etc. Diese wurden auch stets ausgeführt, die Eltern arbeiteten engagiert und interessiert mit.
Bei der Einschulung informierten sie die neue Lehrerin über Marie und ihre Lerntherapie. Ihr Erfahrungsbericht Dyskalkulie interessierte die Schule sehr.
Marie arbeitet immer besser mit
Das Arbeitsverhalten von Marie wurde langsam besser, sie konnte sich zunehmend länger konzentrieren und auf die Aufgaben einlassen. Ein mathematisches Verständnis entwickelte sich nur langsam. Nach 5 Monaten konnte sie zwar Mengen abzählen, aber selbst einfachste Aufgaben wie 2 + 2 nicht eigenständig lösen, ohne zu zählen.
Nahm sie für eine Aufgabe wie 3 + 2 ihre Finger zu Hilfe (an jeder Hand die entsprechende Zahl) kam sie zur richtigen Lösung. Das Zählen mit den Fingern wurde langsam durch andere Hilfsmittel ersetzt. Ziel ist es, das Kopfrechnen zu erlernen.
Erste Erfolge in der Schule
Inzwischen ist ein weiteres halbes Jahr vergangen und Marie besucht seit einigen Monaten die erste Klasse. Seit den Herbstferien macht sie große Fortschritte. Mengen aufteilen, Rechenaufgaben bis 10 bewältigen, ein Vorstellungsverständnis für Mengen entwickeln und ein „ernsthaftes“ Arbeitsverhalten sind positive Ergebnisse der Lerntherapie. Marie hat von der frühen Lerntherapie stark profitiert und bisher in Mathe kaum Schwierigkeiten.