Die Hamburger Schreibprobe wird häufig verwendet, um die Rechtschreibleistungen von Kindern einzuordnen und die Möglichkeit einer vorliegenden Legasthenie zu überprüfen. Der kurze Test kann sowohl einzeln als auch mit der gesamten Klasse durchgeführt werden. Er dauert rund 30 Minuten und wird anschließend ausgewertet. Dies ist entweder von Hand oder auch automatisch im Internet möglich.
Grundlagen der Hamburger Schreibprobe
Wer die HSP selber anwenden möchte, kann sich die entsprechenden Unterlagen im Internet besorgen. Ratsam ist es jedoch, jemand mit Erfahrung hinzu zu ziehen. Die Interpretation der Werte ist nicht ganz einfach. Und schon kleine Fehler können große Auswirkungen auf die Auswertung haben. Längst nicht alle Lehrkräfte sind mit dieser Methode vertraut. Eventuell helfen lerntherapeutische Einrichtungen.
Die Kategorien der Hamburger Schreibprobe (HSP)
Die Bewertung der Rechtschreibfähigkeiten wird in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Kinder oder Jugendlichen bekommen in jeder Kategorie eine Auswertung und später ein Gesamtergebnis.
Alphabetische Strategie:
Hier wird die Fähigkeit beschrieben, den Lautstrom der Wörter aufzuschließen und mit Hilfe von Buchstaben oder Buchstabenkombinationen schriftlich festzuhalten. Die Zugriffsweise basiert auf der Analyse des eigenen Sprechens (Pilotsprache).
Orthografische Strategie:
Hier wird die Fähigkeit beschrieben, einfache Laut-Buchstabenzuordnungen unter Beachtung bestimmter orthografischer Prinzipien und Regeln zu modifizieren.
Morphematische Strategie:
Hier wird die Fähigkeit beschrieben, bei der Herleitung der Schreibweise die morphematische Struktur der Wörter zu beachten. Sie erfordert sowohl die Erschließung des jeweiligen Wortstamms (-fahr) wie auch die Zerlegung komplexer Wörter (Auto – Bahn) in Wortteile.
Wortübergreifende Strategie (ab HSP 4/5):
Hier wird die Fähigkeit beschrieben, für die Herleitung und Schreibung eines Wortes und das Setzen der Satzzeichen größere sprachliche Einheiten (Satzteil, ganzer Satz, Textpassagen) einzubeziehen.
Beispiel eines auswertenden Berichts einer Hamburger Schreibprobe
„Zunächst ist es sehr auffällig, dass Ihre Tochter statistisch gesehen viele Oberzeichenfehler macht, insgesamt 6 in der HSP. Im Prozentrang bedeutet dies, dass 97,3 % der Vergleichsgruppe besser als Ihre Tochter abschneiden würden.
Dies stellt den mit Abstand schlechtesten Wert der gesamten Auswertung dar und sagt viel über das Arbeitsverhalten Ihrer Tochter aus.
Eine hohe Fehleranzahl bei den Oberzeichen (also t-Striche, i-Punkte oder Umlautzeichen) weisen auf eine geringe Schreibsorgfalt hin oder eine mangelhafte Aufmerksamkeitskontrolle.
In der alphabetischen Strategie, also „ich schreibe, was ich höre“ hat Ihre Tochter keine erkennbaren Schwierigkeiten und die höchste Punktzahl erreicht. Eine auditive Wahrnehmungsschwäche, die dafür häufig eine Ursache ist, scheint nicht vorzuliegen.
Auch im Bereich überzählige orthografische Elemente hat Ihre Tochter den höchsten Punktwert erzielt, was ebenfalls für eine gute auditive Wahrnehmung spricht.
In den Bereichen orthografische und morphematische Strategie liegt Ihre Tochter mit T-Wert 43, bzw. 44 knapp vor dem unteren Durchschnittswert. T-Werte um 40 entsprechen ungefähr der Note 4, sind also noch nicht mangelhaft.
Die orthografische Strategie bedeutet, das Wissen um einfache Regeln, hier werden beispielsweise Dehnung und Dopplung eingruppiert oder die F / V Schreibung.
Die morphematische Strategie beschreibt die Fähigkeit, Wortstämme (Blätter kommt von Blatt) zu erkennen und komplexe Wörter zerlegen (Fahrrad kommt von fahren und Rad) zu können.
Persönliche Einschätzung
Die Rechtschreibwerte Ihrer Tochter bewegen sich im unteren Normbereich, in der Regel liegen die Werte bei einer Legasthenie jedoch deutlich unter dem Normbereich. Eine Legasthenie liegt also voraussichtlich nicht vor. Endgültige Sicherheit würde ein Intelligenztest bringen.
Dieser Test müsste im T-Wert eine Differenz von mindestens 12 Punkten aufweisen, um eine zu starke Diskrepanz zwischen der Rechtschreibleistung und der Intelligenz zu belegen, die dann wiederum das wichtigste Kriterium für eine Legasthenie ist.
Sehr gute Noten in den anderen Schulfächern, eine schnelle Auffassungsgabe, große Neugier und ein sehr frühes Sprachvermögen oder ein früher, sicherer Umgang mit Zahlen würden beispielsweise ein Grund sein, die Intelligenz überprüfen zu lassen.
Sollten sich die Rechtschreibleistung in den nächsten Jahren verschlechtern, könnte ein neuer Test wegen der gestiegenen Anforderungen / Vergleichswerte dann auch neue Werte ergeben. Abzuklären wäre auf jeden Fall noch, warum die Leseleistungen Ihrer Tochter nicht altersentsprechend sind.
Förderempfehlung
Auf jeden Fall würde ich noch die Sehfähigkeit Ihrer Tochter überprüfen lassen. Der Augenarzt und die Orthoptistin sind für diese Untersuchung die Spezialisten. In diesem Dokument finden Sie alle wichtigen Informationen: http://www.augeninfo.de/patinfo/lega.pdf
Weiterhin stellt die Aufmerksamkeitsspanne, bzw. Konzentrationsfähigkeit, Ihrer Tochter eine offene Frage dar. Falls Sie hier Handlungsbedarf sehen, wäre ein Konzentrationskurs nach Krowatschek eine Möglichkeit. Adressen finden Sie hier: http://www.marburgerkonzentrationstraining.de/ Das genauere Arbeiten würde wahrscheinlich zur Vermeidung vieler Fehler beitragen.
Das Regelwissen und das morphematische Wissen lernt Ihre Tochter durch ein strategiegeleitetes Rechtschreibtraining.
Wichtig ist ganz sicher auch, dass Ihre Tochter sehr regelmäßig liest und sich so die Wortbilder einprägt. Auf Dauer wird sie auch ganz sicher schneller werden und genauer lesen.“