Ein klassisches Beispiel für den Einsatz des logischen Denkens in der Grundschule sind die sogenannten Kapitänsaufgaben, eine Form der Textaufgaben. Dabei handelt es sich um Text- oder Sachaufgaben, die sachlich nicht erschlossen sind, d. h., die anhand des angegebenen Sachverhaltes gar nicht lösbar sind.
Kapitänsaufgaben sind ein Test
Ursprünglich waren Kapitäne auf einem Schiff Inhalt der Aufgaben, daher der merkwürdige Name. Heute finden sich diese Textaufgaben mit verschiedensten Inhalten, besonders beim Sachrechnen. Lehrer*innen kontrollieren mit solchen Aufgaben, ob ihre Schüler*innen rein schematisch irgendwelche Rechenstrategien anwenden, oder ob sie über die logische Möglichkeit des Ergebnisses nachdenken.
Auch ich (Uta Reimann-Höhn) teste in meiner lerntherapeutischen Arbeit immer wieder, ob Kinder logisch denken.
Ein Beispiel:
Jeden Tag fahren 48 weiße Lieferwagen an Pauls Haus vorbei. Er erkennt sie am Geräusch, denn die Autos machen mehr Krach als andere. Paul ist in der 4. Klasse. Wie lange braucht Paul für seine Hausaufgaben?
Logisch an Kapitänsaufgaben herangehen
Um zu erkennen, dass diese Aufgabe ohne zusätzliche Angaben nicht gelöst werden kann, ist logisches Denken notwendig. Es gibt allerdings immer mehr Kinder in der Grundschule, die aus den gegebenen Zahlen einfach eine Rechnung erstellen. Beispielsweise 4 x 48 = 192
Ergebnis: Paul braucht 192 Minuten. Kinder rechnen nicht damit, dass ein Lehrer eine unlösbare Aufgabe stellen könnten. Deswegen suchen sie irgendeinen Weg, um aus der Sachaufgabe eine Rechnung zu erstellen. Sie nehmen einfach die Zahlen und bauen damit eine Rechenaufgabe. Sie hoffen, das Problem damit gelöst zu haben.
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Unlösbare Sachaufgaben benennen erfordert auch Mut
Der Mut, einem Lehrer oder einer Lehrerin zu sagen, die Aufgabe sei nicht lösbar, also eine Kapitänsaufgabe, muss ein Kind in der Grundschule erst einmal aufbringen. Lehrkräfte sind schließlich Autoritäten, denen nicht widersprochen werden soll. Deshalb erkennen Kinder Kapitänsaufgaben immer weniger, je länger sie die Schule besuchen.
Untersuchungen an Grundschulkindern haben gezeigt, dass besonders 3. und 4. Klässler zu 60 % versuchen, diese sinnlosen Kapitänsaufgaben rechnerisch zu lösen. In der ersten Klasse sind es hingegen nur 10 % der Kinder, die sich täuschen lassen. Anscheinend vertrauen die Erstklässler*innen noch mehr ihren eigenen, logischen Fähigkeiten bei Sachaufgaben im Unterricht.
Je länger Kinder also am Mathematikunterricht teilnehmen, desto mehr sind sie davon überzeugt, dass jede Aufgabe rechnerisch lösbar sein muss. Anstatt sich der Frage logisch zu nähern, bieten sie lieber mögliche Rechenwege an. Sie denken: „Wenn die Aufgabe in der Schule gestellt wird, muss es auch eine Lösung geben.“ Doch das bringt sie nicht weiter.
Nichts ist leichter, als sich unsinnige Kapitänsaufgaben selber auszudenken. Probieren Sie es aus!
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Logisches Denken im Alltag schulen
Jetzt sind Sie gefragt. Beim Spazierengehen gibt es unendlich viel Möglichkeiten, das mathematisch-logische Denken zu schulen, nicht nur mit Kapitänsaufgaben. Bestimmen Sie einen Anfangs- und einen Endpunkt, vielleicht eine Hütte oder einen bestimmten Baum.
Ihr Kind soll nun Möglichkeiten entwickeln, wie es die Anzahl seiner Schritte von Punkt A zu Punkt B berechnen kann, ohne sie einfach abzulaufen. Lassen Sie sich überraschen, welche Lösungen Ihr Kind Ihnen präsentiert.
- es zählt vielleicht die Sträucher oder Holzstämme zwischen den Punkten und misst den Abstand so konkret aus
- es schätzt die Gesamtstrecke anhand von Stocklängen
- es verfolgt einen anderen Spaziergänger zwischen den beiden Punkten mit den Augen und stoppt die Zeit
Sprechen Sie auch über Erklärungen, die unsinnig sind.